Starthilfe in ein neues Leben

Ghofran Fetaiti hat tunesische Wurzeln und ist Ehrenamtlerin in der Bereitschaft Trudering des BRK-Kreisverbandes München. Im Spätsommer 2015 half die 23-jährige Schülerin dabei, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten zu versorgen.
Der Münchner Hauptbahnhof im Spätsommer 2015: Tausende Männer, Frauen und Kinder drängen erschöpft aus den Zügen. Die Menschen stammen überwiegend aus Syrien. Wochenlang waren sie unterwegs, haben den Weg über die Balkanroute genommen und suchen nun Schutz in Deutschland. Zusammen mit vielen anderen Helfern versorgt Ghofran Fetaiti die Neuankömmlinge mit Brot, Wasser und Obst. Die 23-jährige Schülerin engagiert sich seit 2012 ehrenamtlich in der Bereitschaft Trudering des BRK-Kreisverbandes München. Sie interessiert sich für Politik, will nach dem Abitur Medizin studieren. Per SMS wurde die Sanitäterin über ihren Einsatz informiert. Vor Ort erklärt Fetaiti den Migranten, wie die Weiterreise in die Erstaufnahmeeinrichtungen anderer Bundesländer abläuft.
Die Kommunikation mit den Bürgerkriegsflüchtlingen klappt hervorragend, denn Fetaiti spricht fließend Arabisch. Für die Muslima ist es selbstverständlich, zur Rotkreuzjacke auch ihr Kopftuch zu tragen. „Das sieht gut aus und signalisiert zugleich: Ich bin in beiden Welten zu Hause“, sagt sie.
Zuhören, trösten, übersetzen
Fetaiti wurde in München geboren und wuchs im Stadtteil Schwabing auf. Der Vater, ein Philosophieprofessor, stammt aus Tunesien. Seit frühester Kindheit pflegt Fetaiti ihre tunesischen Wurzeln und besucht regelmäßig ihre Verwandten in dem nordafrikanischen Staat. Sie ist vertraut mit den Sitten und Gebräuchen der arabischsprachigen Welt. Und sie kann mit Menschen aus diesem Kulturkreis problemlos kommunizieren. Kenntnisse, die ihr auch zugute kommen, als sie an diesem Septemberwochenende etwa 500 Flüchtlinge bei ihrer Weiterreise nach Dortmund begleitet. Während der knapp siebenstündigen Zugfahrt geht Fetaiti von Abteil zu Abteil. Sie kümmert sich um die oftmals traumatisierten Menschen, hört ihnen zu, spricht mit ihnen. Vor allem Kinder und Familien suchen die Nähe der jungen BRK-Helferin. Ein zwölfjähriges Mädchen erzählt von ihren Erlebnissen während der Flucht über das Mittelmeer: dass die Schlepper ständig damit drohten, das Boot und die Menschen an Bord untergehen zu lassen. Andere Flüchtlinge berichten von dem Terror, den die Soldaten des Assad-Regimes und die Kämpfer des Islamischen Staates in der Region verbreiten.
Als der Zug im Ruhrgebiet ankommt, spenden die Dortmunder Beifall und geben Lebensmittel aus. „Ein wunderschönes Gefühl, Teil dieser gelebten Willkommenskultur zu sein“, sagt Fetaiti.