Reisetagebuch einer Flüchtlingshelferin des Münchner Roten Kreuzes
Daniela Haupt leitet ehrenamtlich die Ortsgruppe München-Mitte der Wasserwacht des Münchner Roten Kreuzes. Am Dienstag begleitete sie zusammen mit fünf ehrenamtlichen Rotkreuzkollegen einen Zug mit Flüchtlingen von München nach Celle. In ihrem Bericht schildert sie ihre sehr persönlichen Eindrücke.
"Am Dienstag haben wir zu sechst einen Zug mit etwa 400 Flüchtlingen nach Celle begleitet. Um zehn Uhr war der Treffpunkt am Starnberger Flügelbahnhof, wo sich das ehrenamtliche Team schnell gefunden hat. Wir waren eine bunte Mischung aus Wasserwacht und Bereitschaften des Münchner Roten Kreuzes. Am Zug trafen wir noch auf die Zugchefin und das Team der DB-Sicherheit, die uns begleiteten.
Noch vor dem Start wird uns eine junge Frau zugewiesen, sie hatte eben erfahren, dass ihre Mutter gestorben ist. Mit Händen und Füßen versucht sie, uns klar zu machen, dass ihr Mann noch irgendwo draußen am Bahnhof ist. Auch mit Dolmetscher und Polizei war es leider nicht möglich, ihn zu finden und mit in den Zug zu setzen. Sie blieb die ganze Reise durch in unserem Abteil, eine Verständigung war leider nicht möglich.
Um 11:30 Uhr startete der Zug nach Celle, mit seinen Gästen aus Syrien und vielen weiteren Ländern, die vom Krieg gezeichnet sind. Sie sprechen Arabisch, Kurdisch, Syrisch, zwischendurch ein paar Brocken Englisch. Aber alle gezeichnet durch die Reise, die sie durchmachen mussten.
Ein Passagier erzählte von seinem Weg über das Meer, er war insgesamt über 50 Tage zu Fuß unterwegs. Seine Familie musste er zurücklassen. Die Bilder von seiner Frau hat er uns auf dem Handy gezeigt. Ein weiterer Syrer berichtet, er sei zu Fuß von Syrien über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Österreich nach Deutschland gelaufen. Er sei mehr als einen Monat unterwegs und in Bulgarien zwei Tage im Gefängnis gewesen. Seine Familie hat es nicht geschafft, von Bulgarien aus weiterzureisen.
Trotz all der Strapazen, ist die Stimmung im Zug sehr gut. Die Passagiere sind sehr höflich und zuvorkommend und vor allem dankbar. Wir haben plötzlich lauter Kinder bei uns im Waggon, die wir mit Süßigkeiten versorgt haben.
Die Kollegen im hinteren Zugteil hatten mehr zu verarzten: Blasen an den Füßen, teilweise schwarze Zehen durch die Kälte, Zahnschmerzen oder ein verletztes Bein.
Kurzfristig sah es so aus, als ob unser Rücktransport gefährdet wäre, aber hier hat das Rote Kreuz ganze Arbeit geleistet. Mit Hilfe des DRK Celle wurden uns diverse Möglichkeiten zur Rückfahrt angeboten. Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit! Um 0:30 Uhr sind wir dann aber doch mit dem ICE in München am Hauptbahnhof angekommen."