Oktoberfest 2017: Eine logistische Meisterleistung des Münchner Roten Kreuzes
Heute Abend geht das größte Volksfest der Welt zu Ende: Für die einen im wahrsten Sinne des Wortes ein berauschendes Vergnügen, für das Münchner Rote Kreuz der größte und intensivste Einsatz des ganzen Jahres und eine logistische Meisterleistung.
Ärzte und Helfer arbeiteten Hand in Hand
An den 18 Wiesntagen des 184. Oktoberfestes leisteten die überwiegend ehrenamtlichen Einsatzkräfte des Münchner Roten Kreuzes insgesamt 2.313 Ärzte- und Helferschichten. In Spitzenzeiten, wie z.B. an Freitagen und Samstagen, arbeiteten gleichzeitig über 150 ehrenamtliche Helfer und bis zu 15 Notfallmediziner aller Fachdisziplinen auf der Wiesn-Sanitätsstation. Zeitweise wurden die Münchner durch Helfer weiterer Rotkreuz-Gliederungen aus der Region und ganz Deutschland sowie insbesondere an den Wochenenden durch Kollegen des Südtiroler Weissen Kreuzes unterstützt.
Rekordverdächtige Einsätze im Gelände
Die ehrenamtlichen Rotkreuz-Sanitäter rückten mit ihren gelben Fahrtragen 2.284 mal ins Festgelände aus. An einsatzstarken Wochenendtagen waren bis zu 11 Fahrtragen mit 5-köpfiger Mannschaft gleichzeitig im Dauereinsatz. Ausgerüstet mit robusten Vollgummireifen bahnten sich die Tragenteams unermüdlich ihren Weg durch die Menschenmassen. Die Trage besteht aus einer Alu-/Stahlkonstruktion mit einem aufgesetzten Gestell, welches die gelbe Plastikhaube zum Sicht- und Wetterschutz des Patienten trägt. An Bord sind ein Notfallrucksack, Defibrillator und Sauerstofflasche. Abhängig vom Gewicht des Patienten kommen so schnell bis zu 200 kg Gesamtgewicht zusammen. Der Spitzenreiter im internen Leistungswettbewerb rückte in einer Schicht 28 Mal aus und legte dabei tatsächlich 32 Kilometer zurück. Das entspricht einer Entfernung, die zwischen Halbmarathon- und Marathondistanz liegt.
Tausenden Patienten konnte schnell und wirksam geholfen werden
Die Einsatzkräfte und Ärzte der Wiesn-Sanitätsstation versorgten insgesamt 6.981 hilfebedürftige Menschen. Sie wurden dabei mit dem gesamten Einsatzsprektrum, -von der Blase am Fuß, über Schnittverletzungen bis zum Herzinfarkt-, konfrontiert. Den überwiegenden Anteil der Patienten machten Wiesnbesucher aus. Was viele aber nicht wissen: Das Team der Sanitätsstation betreut auch alle, die auf der Wiesn arbeiten: Bedienungen, Standbesitzer, Schausteller, Inhaber von Fahrgeschäften, Hendlbrater, Polizisten und Sicherheitsleute. Viele dieser rund 13.000 Wiesnmitarbeiter und -beschicker wussten auch 2017 die Hilfe des Münchner Roten Kreuzes zu schätzen. Hier ersetzte die Wiesn-Sanitätsstation häufig den Hausarzt. Vorrangiges Ziel war, so schnell wie möglich wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren.
Sanitätsdienstliche Hilfeleistungen
Mit sanitätsdienstlichen Hilfeleistungen konnten wir 3.532 Menschen beistehen. Dabei wurden Pflaster und Verbände angelegt und bei der Einnahme von Medikamenten geholfen.
Ärztliche Versorgungen
3.449 Patienten mussten ärztlich behandelt werden. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung stand dabei die Behandlung von Alkoholintoxikationen nicht im Fokus.
Chirurgische Notfälle
Mit 1.883 Fällen machten die chirurgischen Notfälle mehr als die Hälfte der medizinischen Versorgungen aus. Auf sie entfallen somit 55 % aller ärztlichen Behandlungen. Innerhalb der chirurgischen Notfälle dominierten wieder Weichteilverletzungen (z.B. Schnitte an Händen und Füßen, sowie Riss-, Quetsch- und Schürfwunden nach Stürzen). Die Rotkreuzchirurgen nähten in der Sanitätsstation 543 Mal kleinere Wunden. Auffällig war der Rückgang bei Schnittverletzungen an den Füssen. Möglicherweise haben sich hier die verstärkten Kontrollen vor und auf der Wiesn und der Trend zu besserem Schuhwerk bei den Damen positiv ausgewirkt. Weitere chirurgische Notfälle waren orthopädische Überlastungssyndrome an Händen, Schultern und Rücken, Verstauchungen und Prellungen. Auch mussten Patienten mit Knochenbrüchen mussten versorgt und nach erster Stabilisierung ins Krankenhaus gebracht werden.
Alkoholintoxikationen
670 Personen (das entspricht 19% aller medizinischen Versorgungen) mussten in diesem Jahr in der Sanitätsstation des Roten Kreuzes wegen Intoxikation (hauptsächlich Alkohol-, aber auch Mischvergiftungen) medizinisch überwacht werden. Die meisten Patienten konnten nach einer 1-2stündigen Ruhezeit wieder selbständig das Oktoberfest verlassen. Dies stellt eine erhebliche Entlastung von Rettungsdienst und Krankenkassen dar. Bei 10 dieser Vergiftungsfälle waren Jugendliche unter 16 Jahren betroffen. Frauen stellten rund 40% der Patienten, die im Überwachungsraum der Wiesn-Sanitätsstation versorgt werden mussten.
Internistische Notfälle
Internistische Notfälle wie Kreislaufprobleme, allergische Reaktionen insbesondere auf Lebensmittel und Insektenstiche, Atemprobleme/ asthmatische Beschwerden, grippale Infekte, Magen-/Darminfekte, Herz-/Rhythmusstörungen und Herzinfarkt wurden 647 Mal (das entspricht 19% aller medizinischen Behandlungen) versorgt. Für zwei Menschen hätte der Wiesnbesuch beinahe tödlich geendet. Sie konnten durch das beherzte Eingreifen von Ersthelfern, Tragenteams des Roten Kreuzes und des Notarztes erfolgreich wiederbelebt werden.
Sonstige Notfälle
Neurologische Versorgungen (Schwindel, plötzlich einsetzende Bewusstlosigkeit, Schlaganfälle), Behandlungen im Bereich Hals, Nase Ohren und Augen (insbesondere Fremdkörperverletzungen und Reizungen z. B. durch Kontaktlinsen) etc. waren in 249 Fällen (das entspricht 7% aller medizinischen Versorgungen) erforderlich.
Transporte ins Krankenhaus
Aus der Sanitätsstation des Roten Kreuzes wurden 794 Patienten in die umliegenden Kliniken transportiert. Bei einer gehäuft aufgetretenen Magen-Darmerkrankung musste für 20 Patienten der Großraum-Rettungswagen der Berufsfeuerwehr eingesetzt werden. Rotkreuzler begleiteten zusammen mit den Feuerwehrmännern die Transporte.
Die Kinderfundstelle – ein Segen für Eltern und kleine Kinder
Das Münchner Rote Kreuz betreute ehrenamtlich mit Unterstützung des Stadtjugendamtes heuer in der Kinderfundstelle im Servicezentrum 228 Kinder unter 14 Jahren. 5 Kinder waren verloren gegangen und konnten nach meist kurzer Betreuungszeit wieder ihren Eltern übergeben werden. 223 Eltern wickelten und stillten ihre kleinen Kinder abseits vom Wiesntrubel im freundlichen Raum innerhalb des Servicezentrums Theresienwiese.
Laufende Weiterentwicklung und Verbesserung des Wiesn-Sanitätsdienstes
Seit 1885 kümmert sich das Rote Kreuz um verletzte und erkrankte Menschen auf der Wiesn. Dabei wurde die Patientenversorgung ständig verändert und verbessert. Einen Entwicklungssprung erlebte der Wiesn-Sanitätsdienst, als ab 2004 eine feste Station im Servicezentrum Theresienwiese eingerichtet wurde. Dabei handelt es sich um eine moderne Notfallambulanz, die einen Vergleich mit modernen Kliniken nicht zu scheuen braucht.
Wichtiger als diese baulichen Faktoren wiegen jedoch die Erfahrungen, die das Rote Kreuz aus über 130 Jahren Sanitätsdienst auf der Wiesn mitbringt. Jürgen Terstappen (Kreisbereitschaftsleiter und Leiter der Wiesn-Sanitätsstation): „Im Rahmen eines strikten Qualitätsmanagements und laufenden Verbesserungsprozesses optimieren wir die Abläufe, entwickeln wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen bei der medizinischen Behandlung und Softwarelösungen, die die optimale Belegung der Station oder zeitkritische Prozesse, wie die Navigation der Tragenteams zum Einsatzort, gewährleisten.“