Neue Reanimationsleitlinien für Laien und Profis
Die Revision der Wiederbelebungsleitlinien betont die Herzdruckmassage gegenüber der Atemspende, fordert eine bessere Schulung der Leitstellendisponenten und soll Echtzeit-Rückmeldungs-Geräte für die Reanimation fördern

Mit der Revision der Wiederbelebungsleitlinien gelten neue Empfehlungen zu lebensrettenden Basismaßnahmen durch Laien und die Hilfe für leblose Personen durch medizinisches Personal.
Die wichtigsten Änderungen stellen wir ausführlich dar. Das vollständige Dokument der Änderungen kann unten als PDF-Datei abgerufen werden. Im Deutschen Roten Kreuz werden die Ausbilder in ihrem Informationsschreiben in dieser Woche vom Generalsekretariat über die neuen Leitlinien informiert.
Basismaßnahmen
Zentrale Punkte bei der Laienhilfe ist die Betonung der Herzdruckmassage gegenüber der stärker in den Hintergrund tretenden Atemspende. Von Leitstellendisponenten wird gefordert, Situationen gezielt nach vorgegebenen Abfrageprotokollen abzufragen, um möglichst schnell ein Dispositionsprotokoll "Verdacht auf Kreislaufstillstand" starten zu können, falls Anzeichen dafür vorliegen. Zudem sollen die Leitstellen flächendeckend telefonisch zur Compression-only-CPR (COR) auffordern und anleiten, falls untrainierte Helfer den Notruf absetzen. Trainierte Helfer sollen die Herz-Lungen-Wiederbelebung auch weiterhin nach dem Schema 30:2 (30 x Herzdruckmassage gefolgt von zwei Beatmungshüben) durchführen. Zukünftig sollen zudem technische Hilfsmittel gefördert werden, die sofort an den Ersthelfer rückmelden, ob seine Herzdruckmassage schnell und tief genug durchgeführt wird. Gemeint sind damit drucksensible Geräte, die bei der Herzdruckmassage zwischen Brustkorb des Patienten und Hand des Helfers gelegt werden.
Automatische externe Defibrillatoren
Beim Einsatz von automatischen externen Defibrillatoren betonen die neuen Leitlinien, wie wichtig es ist, die Herzdruckmassage nur bis zu fünf Sekunden für einen Elektroschock zu unterbrechen. Die Herzdruckmassage soll während des Anbringens der Elektroden und des Aufladens des Defibrillators nicht unterbrochen werden. Sofort nach der Defibrillation soll die Herzdruckmassage fortgesetzt werden. Eine routinemäßige Basisreanimationszeit vor der Rhythmusanalyse durch den Defibrillator wird in den Leitlinien nicht mehr empfohlen. Wo diese Basisreanimationszeit aber bereits eingeführt wurde, könne sie wegen der mangelnden Datenlage auch beibehalten werden. Zudem empfehlen die Leitlinien eine weitere Förderung von AED-Programmen in öffentlichen und Wohnräumen.
Professionelle Hilfe
Auch bei den Leitlinien für professionelle Rettungskräfte wird vor allem die Wichtigkeit der hochwirksamen Herzdruckmassage in den Vordergrund gestellt. Wie bei Laien soll die Herzdruckmassage nur für die Defibrillation selbst, nicht aber für vorbereitende Maßnahmen unterbrochen werden. Der präkordiale Faustschlag wird in seiner Bedeutung herabgestuft. Die Gabe von Medikamenten über einen Tubus wird nicht mehr empfohlen, statt dessen soll bei fehlendem intravenösen Zugang ein intraossärer Zugang verwendet werden. Eine Intubation soll nur noch durch sehr erfahrene Helfer durchgeführt werden, wenn diese dazu mit weniger als zehn Sekunden Unterbrechung der Herzdruckmassage in der Lage sind. Adrenalin und Amiodaron sollen bei der Behandlung von Kammerflimmern und pulsloser Kammertachykardie nach dem dritten Defibrillationsschock gegeben werden, Atropin wird nicht mehr als Routine bei Asystolie und pulsloser elektrischer Aktivität empfohlen.
In Kliniken sollen Frühwarnsysteme installiert und gefördert werden, um gefährdete Patienten vor einem Kreislaufstillstand identifizieren zu können. Laien sollen von medizinischem Personal verstärkt über die Warnzeichen eines drohenden plötzlichen Herztodes aufgeklärt werden. In der klinischen Behandlung des Patienten nach einer Reanimation defibrillierbarer Rhythmen wird die therapeutische Hypothermie betont.
Reanimation von Kindern
Die neuen Leitlinien tragen dem Umstand Rechnung, dass selbst professionelle Helfer meistens nicht in der Lage sind, den Puls bei Säuglingen oder Kindern in weniger als zehn Sekunden zuverlässig zu erkennen. Zur Entscheidung, ob reanimiert wird, muss deshalb auch für Profis das Achten auf Lebenszeichen genügen. Helfer, die sicher im Pulstasten bei Kindern sind, können zusätzlich den Puls tasten. Bei Kindern wird nach wie vor zwischen Ein- und Zweihelfer-Methode unterschieden. Laien soll nur die Einhelfer-Methode im Verhältnis 30:2 gelehrt werden. Professionelle sollen die Reanimation im Verhältnis 15:2 als Zweihelfer-Methode lernen. Betont wird, dass es dabei schwierig und anspruchsvoll ist, einen Kreislauf aufzubauen. Bei der Kinderreanimation stehen zudem Beatmung und Herzdruckmassage weiterhin gleichwertig nebeneinander, begonnen wird die Reanimation mit der fünfmaligen Atemspende, bevor die Herzdruckmassage begonnen wird. Automatische externe Defibrillatoren sollen auch bei Kindern eingesetzt werden.
Training und Kurse
Die Wiederbelebungs-Ausbildung soll evaluiert werden. In Kursen sollen Videos und Computertraining eingesetzt werden, kombiniert mit der praktischen Übung. Während das Training der Herz-Lungen-Wiederbelebung der Standard sein sollte, kann unter Umständen das Üben nur der Herzdruckmassage sinnvoll sein. Eine Wiederholung von Übungen nach drei bis sechs Monaten sei sinnvoll. Der Einsatz von Reanimations-Hilfsmitteln wird unterstützt. Fähigkeiten wie Führungsqualität, Teamarbeit, Prozesssteuerung und Kommunikation sollen stärker gewichtet werden, die Planung von Reanimationssituationen und die Nachbesprechung nach Übungen und Reanimationen werden betont.
Gültigkeit der Leitlinien
Die Leitlinien 2010 wurden vom International Liaison Committee on Resuscitation (ILCOR) erarbeitet, dem die American Heart Association (AHA), das European Resuscitation Council (ERC), die Heart and Stroke Foundation of Canada (HSFC), das Australian and New Zealand Committee on Resuscitation (ANZCOR), das Resuscitation Council of Southern Africa (RCSA), die Inter-American Heart Foundation (IAHF) und das Resuscitation Council of Asia (RCA) angehören. Für Deutschland nahmen Vertreter des Deutsche Rats für Wiederbelebung/German Resuscitation Council (GRC) an den Arbeitssitzungen teil. Die Leitlinien gelten in allen durch die Fachgesellschaften beteiligten Ländern und Regionen. In einzelnen Regionen sind minimale Abweichungen aufgrund der äußeren Umstände möglich. Die Leitlinien gelten ab sofort.
Leitlinien online
Sämtliche Leitlinien stehen online zur Verfügung. Die folgenden Links führen zu den Download-Seiten der jeweiligen Fachgesellschaften, auf denen die Leitlinien kostenlos als PDF-Dokumente abgerufen werden können: