Kammerflimmern im Kino
Kammerflimmern im Kino kommt ab dem 03.02.2005 öfter vor, teilweise bis zu vier Mal täglich. Der neue Film von Hendrik Hölzemann erzählt von der rastlosen Suche des Rettungsassistenten "Crash" nach wahrer Liebe und Geborgenheit.
Trister Alltag im Rettungsdienst: apathische Junkies, Menschen im Alkoholrausch und geprügelten Frauen, die immer wieder zu ihren Männern zurückkehren. Von den Menschen, für die jede Hilfe zu spät kommt, ganz zu schweigen. Als kleiner Junge hat der inzwischen 26-jährige Paul (Matthias Schweighöfer), den alle nur "Crash" nennen, beide Eltern bei einem Autounfall verloren und als einziger überlebt. Der junge Retter rast rastlos tagtäglich mit Blaulicht durch die Straßen Kölns. Während seiner Arbeit driftet er immer wieder in Träume ab, an deren Ende eine junge, lächelnde Frau steht.
Eines Nachts lernt er bei einem Einsatz die hochschwangere November (Jessica Schwarz) , deren Freund stirbt. Es ist die Frau aus seinen Träumen und es beginnt eine zarte Liebesbeziehung. Doch wieder schlägt das Schicksal zu....
Für die Darstellung der November hat Jessica Schwarz den Bayerischen Filmpreis 2005 für die beste weibliche Darstellerin erhalten.
Kritiken:
- Ärztezeitung (Caroline Bock): Hölzemann kontrastiert in seinem Film den drastischen Alltag des Sanitäters mit Traumsequenzen. Gelungen sind die Übergänge zwischen Traum und Realität, die ihren eigenen Sog entwickeln, am Ende kommt der Film sogar ohne Dialoge aus. Daß ein Unfall das Schlüsselelement der Handlung darstellt, war schon in arg vielen Filmen der Fall und ist nicht sonderlich originell. So hatte mit "Wolfsburg" erst kürzlich eine deutsche Produktion eine ähnliche Idee. Seinem Protagonisten hat Hölzemann weitere autobiografische Merkmale verpaßt: Beide haben eine Narbe, beide fahren gerne Skateboard. Letzteres verschafft dem Film einige Sequenzen in MTV-Ästhetik, in denen der Protagonist in coolen T-Shirts über die Landstraße saust. Sieht man über Drehbuchschwächen hinweg, so stimmt das Casting: Matthias Schweighöfer ("Soloalbum") verkörpert den sensiblen Rettungsassistenten so, als sei er selbst Zivi gewesen, und er harmoniert mit Jessica Schwarz, die im Film einen wirklich überzeugenden falschen schwangeren Bauch vor sich herschiebt. Beide Akteure bekamen für "Kammerflimmern" gerade den Bayerischen Filmpreis. Einen Gastauftritt hat Rosel Zech als Großmutter, Nebenfiguren sind mit Bibiana Beglau und Florian Lukas prominent besetzt. Fazit: ein Film für (ehemalige) Zivis und Schweighöfer-Fans.
- BR-Filmkritik (Sandra Vogel): Nicht nur der Held trägt eine Narbe in diesem Film. Alle Figuren sind vernarbt, im Gesicht, oder auf der Seele. Ihre Aufgabe ist es, trotz dieser Narben zu leben und sich gegenseitig zu retten. Die große Hoffnung, die dieser Film ausdrückt, besteht darin, dass es möglich ist, sich gemeinsam aus dem Schlamassel heraus zu ziehen und "dass es immer einen Weg gibt, wenn man nur nicht aufhört zu atmen". "Nichts bereuen", so hieß der Film, mit dem sich Autor Hendrik Hölzemann in der jungen deutschen Filmszene etabliert hat; "nichts bereuen", sondern weiterleben - dieses Motto gilt auch für die Menschen von denen er in "Kammerflimmern" - seinem Regiedebüt – erzählt. Hölzemann hat viel von seiner eigenen Biografie in diese Geschichte einfließen lassen: Auch er trägt eine Narbe im Gesicht, auch er hat als Rettungssanitäter gearbeitet. Ein reicher Erfahrungsschatz, der den Film einerseits ungeheuer präzise und kraftvoll macht, ihm andererseits aber zur Last wird. "Kammerflimmern" leidet unter der Fülle an Motiven und Erzählsträngen; er findet auch nicht immer die richtige Balance zwischen Traum und Realismus. Dennoch ist der Film bemerkenswert: Die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit machen die Story so interessant, und durch seine frischen Darsteller (allen voran Jessica Schwarz) wird er unwiderstehlich. Fazit: "Kammerflimmern" - eine Liebesgeschichte zwischen rauem Realismus und romantischer Sehnsucht. Nicht perfekt, aber perfekt für alle, die Lust auf einen spannenden, jungen deutschen Film haben.