Japan: Psychosoziale Versorgung für Überlebende
Akemi Nitta ringt um Fassung, wenn sie versucht in Worte zu fassen, was sie gerade fühlt. Sie unterstützte in einem Krankenhaus des Japanischen Roten Kreuzes in Ishinomaki Überlebende dabei, ihre toten Angehörigen zu identifizieren.
"Ich weiß nicht, welche Worte ich wählen soll, um die Situation dieser Menschen am besten zu beschreiben. Worte, die wir benutzt haben, um über frühere Katastrophen zu sprechen, erscheinen jetzt völlig unzureichend", sagt sie.
Mehr als einer Woche arbeitete Nitta als Teil eines achtköpfigen Teams von psychosozialen Betreuern nach der Katastrophe im Krankenhaus. Eine ihrer Hauptaufgaben war es, sich um Familien zu kümmern, die den Verlust eines Angehörigen zu beklagen hatten.
„Die Menschen haben keine andere Wahl als den Tod ihrer Angehörigen zu akzeptieren. Sie müssen sich dieser Situation stellen. Es gibt keine andere Möglichkeit.“ sagt Nitta.
Inmitten der Verzweiflung gab es für sie aber auch Anzeichen von Hoffnung und Trost. Ein Sohn brachte die Leiche seiner 70-jährigen Mutter in Krankenhaus. Er wusste nicht, ob seine Geschwister den Tsunami überlebt hatten. Am nächsten Tag erschienen alle Geschwister im Krankenhaus, weil sie gehört hatten, dass die Mutter dort sei. „Sie hat uns hier wieder zusammengebracht.“, sagte der Sohn.
Übliche Trostquellen, die den Menschen helfen, mit dem Tod eines geliebten Menschen umzugehen, sind nach dem Tsunami einfach unerreichbar. Viele Menschen haben ihre Familienbilder in den Fluten verloren, kaum einer konnte die letzten Worte seiner Angehörigen hören.
Nach anderen Katastrophen in Japan hatte man sich in den ersten drei Tagen auf die Versorgung der Überlebenden mit Hilfsgütern konzentriert. Danach erst widmete man sich der psychosozialen Unterstützung der Hinterbliebenen. In Anbetracht des Ausmaßes des Erdbebens und Tsunami konnte man mit der psychosozialen Versorgung der Menschen dies Mal nicht so lange warten.
Das Japanische Rote Kreuz lässt sich derzeit von Experten dabei beraten, wie die psychosoziale Versorgung zukünftig auf- und ausgebaut werden soll. "Es ist wichtig die psychosoziale Versorgung an die Gemeinden anzupassen. Spezielle Übungen sind genauso wichtig wie die Unterstützung gewöhnlicher Aktivitäten wie Gespräche und Tee trinken. Ältere Menschen benötigen zwar auch medizinische Ratschläge, aber sie brauchen auch Raum zum Entspannen und Ruhe.", sagt Dr. Jeyathesan Kulasingam, vom Internationalen Roten Kreuz (IFRC).
Auch das seelische Wohl der eigenen Mitarbeiter bezieht das Japanische Rote Kreuz in die Planung der zukünftigen Aktivitäten ein. Die psychosoziale Unterstützung wird ein wichtiger Teil des humanitären Einsatzes des Japanischen Roten Kreuzes. Die Organisation rüstet sich dafür, die Bedürfnisse der Hunderttausende von Überlebenden dieser Katastrophe zu decken. Dabei geht es nicht nur um die Beseitigung der unmittelbaren Folgen, sondern auch um die Hilfe in den nächsten Monaten und Jahren.