Die Kälte wirkt sich positiv aus - Vorläufige Wiesn-Schlussbilanz des Roten Kreuzes

Die Einsatzleitung des Münchner Roten Kreuzes spricht zum Schluss des diesjährigen Oktoberfestes von einer "eher ruhigen Wiesn, die stark von der kalten Witterung geprägt war". Hinweis: Alle Zahlen bis einschließlich 5.10.08, dabei Sonntag geschätzt; in Klammern sind die Vorjahreswerte angegeben. Über 1750 ehrenamtliche Rotkreuz-Helfer und Ärzte kümmerten sich um 6550 (7796) Patienten. Von diesen bedurften 3183 (3208) ärztlicher Versorgung.
Obwohl auch Unterkühlungserscheinungen von Wiesn-Besuchern vorkamen, hätten sich die kühlen Außentemperaturen überwiegend positiv ausgewirkt. "Die problematische Kombination von Sonne, Hitze und Alkohol hat heuer kaum eine Rolle gespielt, wir mussten deshalb deutlich weniger Herz- und Kreislaufpatienten versorgen," freut sich der ärztliche Leiter der Wiesn-Sanitätsstation Dr. Kurt Schneider. Insbesondere ältere Personen würden eine "kalte Wiesn" offensichtlich besser vertragen. Jüngere Wiesn-Besucher seien zwar oft sehr "luftig" gekleidet gewesen, offenbar aber abgehärtet genug, da die Ärzte des Roten Kreuzes in diesem Jahr erstaunlich wenig Erkältungskrankheiten in der Sanitätsstation behandeln mussten. Auch eine Grippewelle sei ausgeblieben.
Trend zum Pflaster gebrochen
Hatten die Rotkreuzsanitäter noch in den letzten beiden Jahren jeweils über 3000 Pflaster an Wiesn-Besucher ausgegeben, um zum Beispiel bei Fußblasen aufgrund noch nicht eingelaufenen Trachtenschuhwerks zu helfen, so sind es in diesem Jahr nur mehr knapp 2000 Schutzpflaster gewesen. Sicherlich kein Anzeichen für eine Abkehr von der Tracht, sondern ein Indiz dafür, dass die Wiesn-Besucher aufgrund der Witterung in diesem Jahr weniger gelaufen sind und ihr Wohlergehen vorwiegend in den Festhallen suchten.
3000. OP - ein Berliner mit Humor
Am vergangenen Freitag um 14.00 Uhr kam es in der Hauptsanitätsstation des Roten Kreuzes zur 3000. operativen Wundversorgung auf der Wiesn seit Bestehen des Servicezentrums Theresienwiese (SZT), das im Jahr 2004 eingeweiht wurde. Ein 22-jähriger Berliner, der vor einer der großen Festhallen über zwei Stunden auf Einlaß wartete, setzte sich verbal gegen einen unbekannten Mann zur Wehr, der sich vordrängeln wollte. Dieser ließ aber nicht mit sich reden und schlug dem Berliner unvermittelt ins Gesicht. Das Resultat, eine stark blutende Platzwunde an der Unterlippe, musste schließlich in der Wiesn-Sanitätstation von Arzt Dr. Wolfgang Weise desinfiziert und mit wenigen Stichen genäht werden. Trotz der schlechten Erfahrung und der schmerzenden Wunde wollte der Berliner aber gleich wieder sein Glück an der Tür des gleichen Bierzeltes versuchen. Bereits im Gehen sagte er mit noch schiefem Grinsen, dass er froh sei, immerhin beim Roten Kreuz mit nur wenig Wartezeit ausgekommen zu sein. Für Dr. Weise ein Beweis, dass Berliner nur selten den Humor verlieren.
Insgesamt nähten die Rotkreuzärzte in der Wiesn-Sanitätsstation in diesem Jahr mit 781 (697) Patienten deutlich mehr Schnitt- und Platzwunden. Die Zahl der Wiesn-Besucher, die mit dem Rettungsdienst in die Hospitäler transportiert wurden, sank dagegen mit 503 (526) Patienten.
Schwere Fälle blieben nicht aus
Die Notärzte des Roten Kreuzes wurden in diesem Jahr zu mehreren Fällen mit akuter Lebensgefahr gerufen. So zogen sich ein 38-jähriger Mann und eine 52-jährige Frau bei Stürzen im Bierzelt schwere Kopfverletzungen zu und mussten vom Notarzt intensiv versorgt werden. Ein 79-jähriger Mann aus Oberfranken erlitt am Tag der deutschen Einheit einen Herzinfarkt und verstarb trotz umfangreicher Reanimationsmaßnahmen im Krankenhaus (wir berichteten).
Aktueller Fall: Am letzten Wiesn-Samstag um 13.15 Uhr kam es im Hackerzelt zu einer Auseinandersetzung zwischen einem 28-jährigen Holländer und einem Mitarbeiter der Security. Nachdem der alkoholisierte Holländer den Wachmann tätlich angriff, schlug dieser mit einem Hieb ins Gesicht zurück, so dass der 28-jährige Mann nach hinten fiel und mit dem Hinterkopf auf den Boden krachte. Rotkreuz-Notarzt Dr. Eduard Oks, der nach fünf Minuten vor Ort war, stellte schwere Kopfverletzungen und Hirnblutungen fest. Es bestand akute Lebensgefahr. Nachdem der Patient 15 Minuten lang vor Ort intensivmedizinisch behandelt wurde, brachte der Rettungsdienst den Patienten unter Begleitung des Notarztes in die Neurochirurgie eines Münchner Krankenhauses. Dort wurde der Mann sofort notoperiert. Es besteht weiterhin Lebensgefahr, auch Folgeschäden am Gehirn können nicht ausgeschlossen werden.
Mehr "Bierleichen" - jung und zu einem Drittel weiblich
609 (572) Patienten benötigten aufgrund zu hohen Alkoholkonsums medizinische Behandlung. Seit einigen Jahren fällt auf, dass die meisten Patienten unter 25 Jahre alt sind und immer öfter auch dem weiblichen Geschlecht angehören. Es bleibt aber festzuhalten, dass gut zwei Drittel der so genannten "Bierleichen" männlich sind. Erfreulich ist, dass in diesem Jahr die Zahl der behandelten Jugendlichen unter 16 Jahren mit 23 (25) Personen leicht zurück ging.
Wo die Kleinen ihre Eltern wiederfinden
Der Frauensozialdienst des Münchner Roten Kreuzes, der die Kinderfundstelle im Servicezentrum Theresienwiese ehrenamtlich betreibt, meldet 16 (27) verloren gegangene Kinder. Gemeinsam mit den Zahlen des Jugendamtes, die ab 17.00 Uhr die Betreuung übernehmen, konnten insgesamt 24 (50) verloren gegangene Kinder nach meist kurzer Betreuung wieder ihren glücklichen Eltern übergeben werden. Die städtische Jugendschutzstelle spricht von 46 betreuten Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren, die bei verstärkten Kontrollen nach 20.00 Uhr verbotenerweise auf dem Festgelände aufgegriffen wurden (Rückfragen bitte hierzu an das Jugendamt).
Wovon sich die Kleinen schwer trennen können
Als "warme Stube abseits vom Wiesn-Trubel" waren die Wickeltische und die Stillecke der Kinderfundstelle des Roten Kreuzes in diesem Jahr besonders gefragt. So nahmen Mütter und Väter das Angebot für ihre Sprösslinge insgesamt 325 (183) mal dankbar an. Viele der kleinsten Wiesn-Besucher fanden Gefallen an der umfangreichen Ausstattung der Kinderfundstelle und mussten von ihren Eltern sanft, aber bestimmt von diversen Spielsachen getrennt werden, um wieder ins Festgelände aufbrechen zu können.