350 Führungskräfte der Hilfsorganisationen informieren sich über "Alles, was den Einsatz leichter macht"
16. Fachtagung "Führen von Einsatzkräften" des Münchner Roten Kreuzes im Klinikum Großhadern
Im Hörsaal III des Klinikums Großhadern trafen sich heute mehr als 350 Führungskräfte der Hilfsorganisationen aus ganz Bayern zur gemeinsamen Fortbildung. Eingeladen hatte das Münchner Rote Kreuz zu seiner 16. Fachtagung "Führen von Einsatzkräften", die sich heuer mit dem Schwerpunkt "Alles, was den Einsatz leichter macht" beschäftigte.
Dr. Frank Friedrich stellte die Entwicklung der Standardeinsatzregeln für den Sanitätsdienst im Roten Kreuz vor. Sie dienen der Vereinheitlichung von Abläufen und Arbeitsweisen, geben Orientierung durch Musterlösungen und stellen die Aufwuchsfähigkeit sanitätsdienstlicher Strukturen sicher. Friedrich stellte zusammenfassend die Bildungskonzepte im Sanitätsdienst und die Struktur der Standardeinsatzregeln vor. Ergänzend stellte er die Taschenkarte für Führungskräfte vor, die als Führungshilfsmittel in der Ausbildung ausgegeben wird.
Im Anschluss stellte Jörg Kastner die Standardeinsatzregeln im Betreuungsdienst vor. Sie beschreiben die Strukturen, Vorgehensweisen und Anforderungen für die Betreuung von unverletzten Betroffenen. Er knüpfte dabei an alltägliche Praxisbeispiele wie Bombenfunde an und stellte sowohl die Bedürfnisse der Betroffenen als auch die notwendigen Einsatzstrukturen der Hilfsorganisationen vor.
Polizeidirektor Ralf Molocher berichtete über die Erfahrungen mit der Einführung des Digitalfunks. Nach ersten Versuchen, unter anderem auf dem Oktoberfest, wird der Digitalfunk seit Ende 2012 beim Polizeipräsidium München im Regelbetrieb produktiv eingesetzt. Als Herausforderung habe sich bei der Einführung vor allem die Anwenderschulung erwiesen. "Vor allem die GPS-Ortung der Geräte, die vertrauliche Kommunikation, die bessere Netzabdeckung, die längeren Akku-Laufzeiten und die größere Anzahl von Rufgruppen sind dem analogen Funk deutlich überlegen", so Molocher in seinem Fazit.
Christoph Dennenmoser sprach aus seiner Erfahrung als Digital Disaster Volunteer des Amerikanischen Roten Kreuzes über Potenziale von social media-Anwendungen im Bevölkerungsschutz. Diese liegen aus seiner Sicht in der - auch dezentralen - Informationsverbreitung und -gewinnung, der Kommunikation von Krisenbeteiligten, der Öffentlichkeitsarbeit und Funktionen wie dem "Crowdmapping", bei dem viele Freiwillige auf Karten zum Beispiel Schäden oder Zerstörungen eintragen können. Die Herausforderungen liegen in der Verifizierung, der Kontinuität der Information, der Kooperation von "unorganisierten" Helfern mit "offiziellen" Stellen und dem Personalbedarf für die Auswertung und Betreuung sozialer Netzwerke.
Dr. Michael Judex sprach über den Nutzen von Geoinformationen im Einsatz. Über internationale Mechanismen können bei Katastrophen oder anderen Einsatzlagen aktuelle Satellitenbilder angefordert werden, um detaillierte Informationen zum Ereignis, zu den betroffenen Schutzgütern, Gefahren und Betroffenen zu gewinnen. Vor allem für Lagevorträge, Dokumentation, Fachberatung bei Hochwasserlagen und die Kalibrierung von Prognosen haben Copernicus-Satellitendaten bei aktuellen Katastrophen bereits gute Dienste geleistet.
Maximilian List und Thomas Barfety berichteten über die Erfahrungen der Bergwacht Penzberg beim Einsatz eines "Kleinen Fliegenden Systems" (KFS) im Einsatz zur Lageerkundung. Durch die Kameras und Sensoren des Fluggeräts können die Einsatzkräfte am Boden vor allem bei unübersichtlichen Lagen unterstützt werden. Problematisch sehen beide die notwendige Erfahrung im Umgang mit dem KFS sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen wie etwa die Auflage, nicht nachts und nicht über Unfällen, Katastrophen- und Sperrgebieten zu fliegen.
Johannes Thomann stellte die Strukturen und Konzepte der Berufsfeuerwehr München für die Planung von Großveranstaltungen vor. Er betonte die Notwendigkeit, in einem Sicherheitskonzept Rollen, Verantwortung, Vorgehensweisen und Kommunikationskonzepte vorab festzulegen und die behördlichen Planungen mit denen des Veranstalters abzustimmen. Zudem stellte er klar, dass die Planung jeder Veranstaltung individuell und abhängig von den lokalen Verhältnissen erfolgen muss.
Dr. Markus Eichler und Benedikt Weber stellten das Forschungsprojekt SecoServ2 zur automatisierten Vorsichtung beim Massenanfall von Verletzten vor. Ziele sind die schnelle Lageerfassung in der Chaosphase großer Einsätze, eine verbesserte Organisation der vorhandenen Einsatzressourcen und eine reduzierte Funkkommunikation vor Ort. Die technische Lösung besteht aus elektronischen "Patiententags", also digitalen Armbändern, die an jedem Patienten angebracht werden und zunächst auf Basis der gemessenen Vitalwerte eine vorläufige Einschätzung über Zahl, Zustand und Lage der Patienten ermöglichen. Nach der Sichtung entsteht dann in einem ad-hoc-Netzwerk vor Ort eine Übersichtsdarstellung, die auf dem SecoServ2-Portal jederzeit ausgewertet werden kann.
Zum Abschluss stellte Klemens Reindl den Einsatz der Bergwacht bei der Rettung eines Höhlenforschers aus der Riesending-Schachthöhle dar. Rund 1.000 Einsatzkräfte aus fünf Nationen beteiligten sich vom 8. bis 19. Juni 2014 an dem Einsatz am Untersberg. Auch das Medieninteresse war sehr groß. Die zentralen Herausforderungen waren der kritische Patientenzustand, die Kommunikation in der Höhle, die Dauer des Einsatzes, die Anforderungen an die Rettungskräfte, die Transportlogistik und die Steinschlaggefahr. "Insgesamt war das ein einzigartiger und herausfordernder Einsatz, der internationale Zusammenarbeit der Höhlenretter gefordert hat", so Reindl.
Neben den Fachvorträgen hatten die Besucher Gelegenheit, eine begleitende Fachausstellung zu besuchen. Hersteller von Einsatzbekleidung, Fahrzeugen, Kommunikationstechnik, Beleuchtung, Drohnen und Medizingeräten präsentierten ihre Produkte und trugen durch ihre Standmiete zur finanziellen Machbarkeit der Tagung bei.
"Ich hoffe, wir konnten eine spannende Mischung an Themen für die Teilnehmer zusammenstellen", betont Volker Ruland, Leiter des Teams des Münchner Roten Kreuzes, das die Fachtagung zum 16. Mal ehrenamtlich organisiert und durchgeführt hat. "Neben den Inhalten geht es aber natürlich immer auch um den kollegialen Austausch."
Die Verpflegung der Teilnehmer übernahmen heuer wieder die ehrenamtlichen Helfer des Betreuungsdienstes des Münchner Roten Kreuzes.
Die Fachtagung Führen von Einsatzkräften ist eine Veranstaltung des Münchner Roten Kreuzes, die der Fortbildung und der Vernetzung von beruflichen und ehrenamtlichen Führungskräften der Hilfsorganisationen dient. Alle Informationen zur Veranstaltung und zu den Referenten sowie Impressionen finden Sie hier. Die 17. Münchner Fachtagung wird am 14.11.2015 stattfinden und sich mit den Herausforderungen durch neue gesellschaftliche Entwicklungen befassen.