17jähriger ehrenamtlicher Rotkreuzler rettet 58jährigem das Leben
In ihrer Freitagsausgabe (25.02.2011) berichtet die Süddeutsche Zeitung über eine bemerkenswerte Lebensrettung mit dem Titel „Geschichte mit Herz“. Der erst 17-jährige Louis Bisani, ehrenamtlicher Sanitäter des Münchner Roten Kreuzes, rettete vor fünf Monaten einem Münchner am Marienplatz das Leben. Link zum Artikel: siehe unten. Dort gibt es auch einen Link mit Audioshow zum Thema.
Der Hintergrund:
Roland Hiebl rettet eine liebgewonnene Tradition das Leben: Alljährlich trifft sich der 17-jährige Louis Bisani mit seinen Kumpels am ersten Wiesnsamstag zum Zeltbesuch. Und das weit vor der Öffnungszeit, um noch einen Platz zu ergattern. So ist der Schüler bereits um halb acht im Untergeschoss des Marienplatzes unterwegs, um mit der U-Bahn zum Treffpunkt am Odeonsplatz zu fahren. Zur gleichen Zeit, nur ein paar Meter weiter, steht Roland Hiebl auf einer Rolltreppe. Auf den 58-jährigen Chef eines Friseursalons wartet sein erster Kunde des Tages. An die Fahrt nach oben kann er sich heute nicht mehr erinnern, er weiß nur noch, dass er am Vorabend im Ungererbad seine üblichen tausend Meter geschwommen ist und sich danach topfit fühlte.
Doch der Schein trügt. Eines seiner Herzgefäße ist bereits so verkalkt, dass ein kleiner Gewebepfropf ausreicht, um die Blutbahn vollends zu verstopfen und die Sauerstoffzufuhr zu unterbrechen. Der Infarkt ereilt ihn, als er die Rolltreppe verlässt. Er taumelt und geht zu Boden. Es passiert das Übliche: Eine Menschentraube versammelt sich um den Liegenden und wartet aufgeregt murmelnd darauf, dass irgendjemand aktiv wird.
Als Louis Bisani durch das Untergeschoss läuft, bemerkt er die Menge. Die Gesichter sagen ihm, dass etwas nicht stimmt. Dann entdeckt er, warum die Leute zusammenstehen. Als ausgebildeter Rotkreuz-Sanitäter kennt er die erforderlichen Abläufe im Schlaf: Er geht zu Roland Hiebl, zieht die Einmal-Handschuhe an, die er grundsätzlich bei sich trägt, und untersucht seinen Patienten. Gleichzeitig bekommt er mit, dass eine Frau bereits einen Notruf abgesetzt hat. Roland Hiebl atmet noch, daher bringt ihn Louis zunächst in die stabile Seitenlage. Sicherheitshalber schickt er eine Passantin hinunter auf den Bahnsteig, um einen Defibrillator zu holen, und ruft noch einmal selbst bei der Rettungsleitstelle an. Noch während er telefoniert, lässt die Körperspannung von Roland Hiebl nach, und Atmung und Puls setzen aus. Louis beginnt, rhythmisch auf den Brustkorb zu drücken. Roland Hiebl blutet aus Mund und Nase, daher kann Louis nicht beatmen. Die Passantin kommt zurück und berichtet, sie habe keinen Defibrillator finden können. Also weiter mit der Druckmassage. Minutenlang liegt Roland Hiebls Leben in den Händen des 17-jährigen Louis. Endlich erreichen zwei Rettungsassistenten der Feuerwehr den Einsatzort – einer bereitet den Patienten für die Beatmung vor, der andere legt einen Zugang für die Injektion von Medikamenten, während Louis weiter den Brustkorb bearbeitet. Er hört erst auf, als eine Reanimationsmaschine gebracht wird. Auch die Polizei ist nun zur Stelle.
Was bleibt dem Ersthelfer? „Ich habe mein Zeug zusammengepackt und gemeinsam mit einem Polizisten das Protokoll ausgefüllt.“ Ein Feuerwehrmann fragt, ob mit ihm alles in Ordnung sei. Es war Louis’ erste Reanimation, „darauf ist man seelisch nie vorbereitet“. Ansonsten hält er die Wiederbelebung für eine Routineaufgabe: „Man muss keine Entscheidungen treffen, da es nur einen möglichen Ablauf gibt. Dieses Programm spult man automatisch ab.“ Die Emotionen kommen später. Als Louis mit seinen Freunden schon längst im Wiesnzelt sitzt, drängt das Erlebte wieder ins Bewusstsein. Anderthalb Stunden sitzt er nun da und redet nicht, arbeitet im Kopf alles noch einmal durch. Wie geht es dem Patienten wohl jetzt? Hat er den Infarkt überlebt? Wird er womöglich einen Hirnschaden davontragen? Was, wenn Louis ihm mit seiner Hilfe gar keinen Gefallen getan hat? „Während der Wiederbelebung entsteht eine Verbindung zwischen Helfer und Patient“, erklärt Louis. Er will den Mann unbedingt kennenlernen.
Auch Roland Hiebl, der nach ein paar Tagen das Bewusstsein wiedererlangt, hat das dringende Bedürfnis, Louis persönlich zu danken. Schließlich hat der ihm „ein zweites Leben“, wie Roland Hiebl sagt, ermöglicht. Der Friseur war früher bei der Bundeswehr selbst zwei Jahre lang Sanitäter und weiß seitdem: „Man kann bei einem Unglücksfall immer helfen, daher sollte man hingehen und etwas tun, statt einfach nur dazustehen.“ Dass in seinem Fall allerdings ausgerechnet ein 17-Jähriger alles richtig gemacht hat, empfindet er als „verdammtes, großes, tolles Glück“ und versichert: „Man schimpft gern über die jungen Leute, sie wären egoistisch und rücksichtslos. Das darf in meiner Gegenwart jetzt niemand mehr sagen!“